Allgmeine Fragen zu SLEEPexpert
Was ist das Ziel von SLEEPexpert?
SLEEPexpert ist eine Anpassung der Kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT‑I) für den klinischen Alltag. Es versetzt medizinische Fachpersonen mit einem praxisnahen und strukturierten Behandlungsmanual in die Lage, Patient*innen darin zu unterstützen, ihren Schlaf selbst zu verbessern.
Auf welche grundlegende Prozesse der Schlafregulation bezieht sich SLEEPexpert?
SLEEPexpert bezieht sich auf zwei grundlegende Prozesse der Schlafregulation: einen vom Schlaf-Wach-Verhalten abhängigen (homeostatischen) und einen tagesrhythmischen (circadianen) Prozess.
Eine ausreichend lange Wachphase ist notwendig, um einen ausreichenden Schlafdruck aufzubauen um einschlafen zu können. Dies wird durch ein am späten Abend nachlassendes tagesrhythmisch bestimmtes Wachsignal begünstigt (Nachlassen der abendlichen Wacherhaltungsphase). Umgekehrt sorgt gegen Ende der Nacht und am frühen Morgen ein tagesrhythmisch bedingtes Schlafsignal für einen längeren Schlaf (Schlaferhaltungsphase). Ein gesunder Schlaf ergibt sich aus dem Zusammenspiel der beiden Prozesse mit ausreichendem Schlafdruck und einer geeigneten tagesrhythmischen (circadianen) Phase.
Was ist der Insomnie Schweregrad Index (ISI)?
Der Insomnie Schweregrad Index (ISI) ist ein Fragebogen zur Einschätzung des Schweregrads von insomnischen Beschwerden, der von Patient*innen in wenigen Minuten ausgefüllt werden kann. Ein Summenwert von ≥ 8 deutet auf eine klinisch relevante insomnische Störung hin. Aufgrung von Copyright Richtlinien kann dieser Fragebogen hier nicht zur Verfügung gestellt werden. Bitte kontaktieren Sie contact@sleepexpert.ch für weitere Informationen.
Wer kann von SLEEPexpert profitieren?
SLEEPexpert setzt bewusst auf minimale Ausschlusskriterien; insbesondere gilt eine spezielle begleitende Erkrankung nicht als Ausschlusskriterium. Für eine Teilnahme am Programm sollten die insomnischen Beschwerden zeitlich zumindest teils unabhängig von einer anderweitigen akuten Erkrankung oder einem Substanzkonsum bestehen beziehungsweise einen hohen Schweregrad aufweisen, der durch ein anderes Gesundheitsproblem nicht vollständig erklärt werden kann.
Was sind die diagnostischen Kriterien der insomnischen Störung?
Die diagnostischen Kriterien der insomnischen Störung sind gemäss dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition (DSM‑5) beziehungsweise der International Classification of Diseases 11th Revision (ICD-11) wie folgt:
A. Eine im Vordergrund stehende Beschwerde der Unzufriedenheit mit der Schlafqualität oder ‑quantität, verbunden mit einem (oder mehreren) der folgenden Symptome:
1. Schwierigkeiten einzuschlafen;
2. Schwierigkeiten durchzuschlafen, mit häufigen Wachperioden, oder Schwierigkeiten, nach nächtlichen Wachperioden wieder einzuschlafen
3. Frühmorgendliches Erwachen mit der Unfähigkeit, wieder einzuschlafen.
B. Die Schlafstörung führt zu klinisch signifikantem Leiden oder Einschränkungen im sozialen, Ausbildungs-und beruflichen Leben oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
C. Die Schlafstörung tritt mehrere Nächte pro Woche auf
D. Die Schlafstörung hält mindestens 3 Monate an.
E. Die Schlafstörung tritt trotz ausreichender Gelegenheit für Schlaf auf.
F. Die Insomnie wird nicht besser erklärt und tritt nicht ausschliesslich im Rahmen einer anderen Schlaf-Wach- Rhythmus-Störung auf.
G. Die Insomnie ist nicht zurückführbar auf die physiologischen Effekte einer Substanz (z. B. einer Droge oder einer Medikation).
H. Die koexistierenden psychischen und körperlichen Erkrankungen erklären nicht das Auftreten der Insomnie.
Was versteht man unter einer KVT‑I?
Die KVT‑I ist eine Kombinationsbehandlung, die Verhaltensänderungen, Entspannungsübungen und die Modifikation von Gedanken beinhaltet. In ihrem Rahmen vermitteln Therapeut*innen Wissen und raten zu bestimmten Verhaltensänderungen.
Was ist eine Bettzeitrestriktion?
Eine Bettzeitrestriktion ist eine Verkürzung der Bettzeit mit dem Ziel, unangenehme Wachzeit im Bett zu reduzieren und zu einer kosolidierteren Schlafphase beizutragen.
Was ist ein Schlaffenster?
Ein Schlaffenster ist ein Zeitfenster für Schlaf mit einer gesetzten Zubettgeh- und Aufstehzeit (z.B. 23:30 bis 06:00 Uhr). Die Dauer des Schlaffensters ist angepasst an die derzeit berichtete Schlafzeit. Die Uhrzeiten lassen sich aus persönlich bevorzugten Bettzeiten sowie anderen persönlichen Faktoren oder Verpflichtungen ableiten.
Wann ist eine Behandlung mit SLEEPexpert nicht zielführend?
Ist die insomnische Störung gemäss klinischer Einschätzung vollständig auf eine andere akute Erkrankung oder einen Substanzkonsum zurückzuführen (beispielsweise im Rahmen einer akuten Psychose oder eines Entzugssyndroms) und wird mit grosser Wahrscheinlichkeit mit deren Besserung remittieren, kann von einer gesonderten Behandlung mit SLEEPexpert abgesehen werden.
Auf was muss ich achten, wenn ich Patient*innen mit bipolaren, psychotischen Störungen oder instabilen somatischen Erkrankungen behandle?
Besondere Vorsicht gilt bei Patient*innen mit bipolaren oder psychotischen Störungen oder Patient*innen mit instabilen somatischen Erkrankungen, bei denen Schlafentzug zu Phasenwechseln beziehungsweise einer Dekompensation führen kann. Hier ist in Bezug auf die Bettzeitrestriktion ein vorsichtiges Vorgehen und engmaschiges Monitoring indiziert. Hervorzuheben ist, dass das Programm nicht auf eine Verkürzung der Schlafdauer abzielt, sondern überlange Bettzeiten mindern und somit zu besserem – und eventuell auch längerem – Schlaf führen soll.
Müssen Patient*innen ihre Schlafmedikamente absetzen, wenn sie am Programm teilnehmen möchten?
Grundsätzlich können Patient*innen mit und ohne Medikation an SLEEPexpert teilnehmen. Jedoch ist eine Teilnahme nur dann sinnvoll, wenn zum gegebenen Zeitpunkt eine Schlafproblematik besteht. Patient*innen, die unter Medikation zufriedenstellend schlafen, können nicht sinnvollerweise am Programm teilnehmen. In einem solchen Fall müsste zunächst eine Reduktion der Medikation erfolgen. Nur eine aktuell bestehende Schlafproblematik kann sinnvoll verhaltenstherapeutisch behandelt werden. Patient*innen, die auch mit Medikation schlecht schlafen, müssen die Medikamente nicht zwingend absetzen oder reduzieren, um an SLEEPexpert teilzunehmen. Hier empfiehlt es sich, die Dosierung der Medikation regelmässig zu prüfen und je nach klinischer Situation die Medikation zu reduzieren.
Was kann ich bei Non-Response tun?
Wie jede Therapie wirkt auch SLEEPexpert nicht bei allen Patient*innen gleich gut. Wenn Betroffene berichten, dass sie im Rahmen des Programms keine Verbesserung bemerken, sollten Sie zunächst prüfen, ob das verkürzte Schlaffenster wirklich bereits lang genug umgesetzt wurde, um eine Veränderung zu ermöglichen. Oft stellt sich bei Nachfrage heraus, dass das Schlaffenster nicht regelmässig eingehalten wurde (z. B. mit längeren Bettzeiten am Wochenende oder mit Tagschlaf). Als Faustregel gilt: Die Bettzeitrestriktion sollte für 4 Wochen umgesetzt werden. Im Falle einer Non-Response sollten mögliche Gründe evaluiert und eine weitere Diagnostik initiiert werden. Diese sollte eine Abklärung eines Schlafapnoesyndroms sowie eine Diagnostik bezüglich eines Restless-Legs-Syndroms, periodischer Beinbewegungen oder einer circadianen Rhythmusstörung umfassen. Auch weitere somatische oder psychiatrische Differenzialdiagnosen sollten reevaluiert werden, um gegebenenfalls eine spezifische Behandlung einzuleiten. Gemäss Behandlungsleitlinie kann bei Non-Response eine medikamentöse Behandlung erwogen werden.
Welche weiterführenden Informationen bietet das Behandlungsmanual?
Das wichtigste Element des Buchs ist das Behandlungsmanual zu SLEEPexpert, das Schritt für Schritt durch die Anwendung führt – von der Indikationsstellung über die praktische Durchführung bis zu einer Diskussion schwieriger Therapiesituationen. Vor diesem Behandlungsmanual werden Grundlagen zu Schlaf und Schlafregulation, zum Störungsbild Insomnie sowie zur KVT‑I erläutert. Diese Einführung ermöglicht ein besseres Verständnis der Entwicklung und Ziele des Programms und ist wichtig für die Qualität der Behandlung.
An wen kann ich mich wenden?
Bitte wenden Sie sich bei Fragen an contact@sleepexpert.ch
Situationen im Behandlungsteam
Welche Möglichkeiten gibt es, wenn Teammitglieder «keine Zeit» haben, sich um Schlafprobleme der Patient*innen zu kümmern?
Die systematische Erfassung von Insomnie und die Implementierung des Programms führen dazu, dass sich die Teammitglieder austauschen, und fördern somit die Behandlung. Typischerweise sind Schlafstörungen auf Station ohnehin ein gängiges Thema, das Ressourcen und viel Aufmerksamkeit seitens des Behandlungsteams bindet. Die Umsetzung des Programms SLEEPexpert stellt also näher betrachtet keinen Zusatzaufwand dar. Einmal eingeführt und etabliert, kann es vielmehr helfen, die Anforderungen zu strukturieren und effizienter zu bewältigen.
Welche Möglichkeiten gibt es, einer unkritischen Verschreibung von Hypnotika entgegenzuwirken?
Eine grössere Herausforderung für den Erfolg der verhaltenstherapeutischen Behandlung der insomnischen Störung ist die häufige (Über-)Verschreibung schlafanstossender Medikation (Hypnotika) im klinischen Alltag. Mit der Verschreibung oder Erhöhung von Hypnotika sind oft vorherigen Bemühungen seitens Team und Patient*in hinfällig und Ressourcen verschwendet. Dies kann nicht nur zu Frustration im Team führen, sondern prägt auch die weitere Erwartungshaltung an die Behandlung – nämlich die Annahme, dass eine Verhaltensänderung den Schlaf nicht verbessern kann. Das schwächt das Selbstwirksamkeitsempfinden der Patient*innen. Daher ist es von grosser Bedeutung, dass das gesamte Behandlungsteam das Programm kennt und unterstützt.
Therapiesituationen mit Patient*innen
Wie gehe ich vor, wenn Patient*innen ihre üblichen Bett- und Schlafzeiten nicht angeben können?
Für die Erarbeitung des Schlaffensters werden gemittelte Werte von Bett- und Schlafzeiten erfragt. Trotz der begrenzten Angaben können Patient*innen manchmal, wenn auch selten, ihr Schlaf-Wach-Verhalten nicht gut angeben. Akute Krisensituationen, schädlicher Substanzkonsum und starke krankheitsbedingte Symptome können dazu führen, dass die betroffene Person aktuell einen verschobenen und wechselhaften Schlafrhythmus erlebt. Wenn Patient*innen gerade erst eingetreten sind oder ihre Bett- und Schlafzeiten gar nicht ermitteln können, kann ein Schlaffenster geschätzt und evaluiert werden. Hierzu wird ein Schlaftagebuch geführt. Anhand dieser Daten und im Austausch mit den Patient*innen kann das Schlaffenster angepasst werden.
Wie kann ich Patient*innen unterstützen, die sehr lange Zeit im Bett verbringen?
Patient*innen berichten vor allem im stationären Setting oft von ausgedehnten Bettzeiten von über 12 Stunden. Bei manchen Störungsbildern, zum Beispiel Depression oder Angststörungen, ist dies besonders ausgeprägt. Es ist von grosser Bedeutung für die Wirksamkeit der Intervention, die Zeit vor und nach dem Schlaffenster ausserhalb des Betts zu verbringen. Hier können Sie in der Kommunikation mit den Patient*innen das Surferbild der Kick-off-Veranstaltung nutzen, um den Schlafdruck- Mechanismus zu verdeutlichen und das individuelle Verhalten zu besprechen. Wenn Patient*innen trotz hoher Motivation Schwierigkeiten haben aufzustehen, dokumentieren Sie dies, besprechen Sie es im Behandlungsteam und gegebenenfalls in der Visite zusammen mit dem oder der Patient*in, sodass das gesamte Behandlungsteam weiter unterstützen kann.
Wie können Patient*innen die zusätzliche Zeit ausserhalb des Betts verbringen?
Wenn Patient*innen, angepasst an ihre Schlafzeit, ein deutlich reduziertes Schlaffenster umsetzen sollen, bedeutet das, dass jetzt viele weitere Stunden ausserhalb des Betts gestaltet werden müssen. Eine häufige Rückmeldung der Patient*innen ist, dass das Bett/Schlafzimmer ihr einziger Rückzugsort ist. Motivieren Sie die Patient*innen dennoch, aufzustehen und die Zeit ausserhalb des Betts zu verbringen. Eine individuelle Tagesgestaltung kann hier unterstützen. Helfen Sie Ihren Patient*innen dabei, Beschäftigungen zu finden, die sie davon ablenken, zurück ins Bett zu gehen. Identifizieren Sie zusammen einen Rückzugsort ausserhalb des Schlafzimmers.
Hilft SLEEPexpert, wenn externe Faktoren den Schlaf stören?
Patient*innen berichten nicht selten von Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen. Bei genauer Nachfrage können auch externe Faktoren ursächlich sein. Hier können einfache Lösungen wie Ohrstöpsel oder eine Schlafmaske manchmal helfen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da sich Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, welche nicht die Diagnosekriterien erfüllen, nicht unbedingt durch das Programm bessern.